Im österreichischen Strafverfahrensrecht ist zwischen Festnahme, Untersuchungshaft und Strafhaft zu unterscheiden. Maßgeblich sind die Strafprozessordnung StPO sowie für den Vollzug rechtskräftiger Freiheitsstrafen das Strafvollzugsgesetz StVG.
Festnahme
Die Festnahme dient der kurzfristigen Sicherung des Verfahrens. Sie ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des §170 StPO vorliegen, etwa bei Betreten auf frischer Tat oder bei dringenden Gründen für einen Haftgrund. Grundsätzlich ordnet die Staatsanwaltschaft die Festnahme an, wofür eine gerichtliche Bewilligung erforderlich ist §171 Abs 1 StPO. Die Kriminalpolizei darf in bestimmten Situationen auch ohne vorherige Anordnung festnehmen, insbesondere bei Gefahr im Verzug §171 Abs 2 StPO. Dem Beschuldigten ist die Anordnung mit gerichtlicher Bewilligung oder die schriftliche Begründung der Polizei binnen 24 Stunden zuzustellen §171 Abs 3 StPO.
Beschuldigte sind ohne unnötigen Aufschub, spätestens binnen 48 Stunden nach der Festnahme, in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefern oder zu enthaften §172 Abs 3 StPO. Das Gericht muss längstens binnen 48 Stunden nach der Einlieferung entscheiden, ob der Beschuldigte freizulassen ist allenfalls unter gelinderen Mitteln oder ob Untersuchungshaft zu verhängen ist §174 Abs 1 StPO.
Untersuchungshaft
Die Untersuchungshaft darf nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängt oder fortgesetzt werden. Erforderlich sind dringender Tatverdacht, eine gerichtliche Vernehmung zur Sache und das Vorliegen eines Haftgrundes §173 Abs 1 StPO. Haftgründe sind insbesondere Fluchtgefahr, Verabredungs oder Verdunkelungsgefahr sowie Tatbegehungs oder Tatausführungsgefahr §173 Abs 2 StPO. Besteht der Verdacht eines Verbrechens mit einer Strafdrohung von mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe, ist grundsätzlich Untersuchungshaft zu verhängen, sofern nicht alle Haftgründe verlässlich ausgeschlossen werden können.
Die Verhältnismäßigkeit ist stets zu beachten. Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt oder fortgesetzt werden, wenn der Haftzweck durch gelindere Mittel erreicht werden kann §173 Abs 5 StPO. Als gelindere Mittel kommen je nach Lage des Falls etwa Kaution, Pass oder Reisedokumentenabnahme, Meldeauflagen, Gelöbnisse oder Weisungen in Betracht.
Hausarrest als Form der Untersuchungshaft
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten kann die Untersuchungshaft als Hausarrest fortgesetzt werden, wenn sich der Beschuldigte in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einer elektronischen Aufsicht zustimmt §173a StPO in Verbindung mit §156b StVG. Der Hausarrest ist eine besondere Vollzugsform der Untersuchungshaft und keine eigenständige Alternative. Für Fristen und Höchstdauern gelten die Bestimmungen zur Untersuchungshaft sinngemäß.
Haftverhandlung, Haftfristen und Höchstdauern
Ein Beschluss über Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft ist jeweils nur befristet wirksam Haftfrist. Die Haftfrist beträgt ab Verhängung 14 Tage, ab erster Fortsetzung einen Monat und ab weiterer Fortsetzung zwei Monate §175 Abs 1 und 2 StPO. Vor Ablauf ist eine Haftverhandlung durchzuführen oder zu enthaften. Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses über Verhängung oder Fortsetzung nicht mehr durch Haftfristen begrenzt §175 Abs 5 StPO.
Bis zum Beginn der Hauptverhandlung gelten Höchstgrenzen der Untersuchungshaft §178 StPO. Bei Verdunkelungsgefahr insgesamt längstens zwei Monate. Im Übrigen gilt als Obergrenze sechs Monate bei Vergehen, ein Jahr bei Verbrechen und zwei Jahre bei Verbrechen mit einer Strafdrohung von mehr als fünf Jahren. Über sechs Monate hinaus darf Untersuchungshaft nur bei besonderen Schwierigkeiten oder besonderem Umfang der Ermittlungen aufrechterhalten werden §178 Abs 2 StPO. Nach Beginn der Hauptverhandlung richtet sich die weitere Dauer ausschließlich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit §177 Abs 1 StPO.
Jugendliche
Für Jugendliche gelten strengere Anforderungen. Die Untersuchungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck durch familienrechtliche Maßnahmen in Verbindung mit gelinderen Mitteln erreicht werden kann §35 Abs 1 JGG. Ohne Beginn der Hauptverhandlung ist ein jugendlicher Beschuldigter jedenfalls zu enthaften, wenn er sich bereits drei Monate in Untersuchungshaft befindet, bei Verbrechen in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen oder Geschworenengericht längstens ein Jahr, wobei über sechs Monate hinaus nur bei besonderen Ermittlungsschwierigkeiten oder besonderem Umfang eine Aufrechterhaltung zulässig ist §35 Abs 3 JGG.
Rechtsschutz
Gegen Entscheidungen über Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft steht die Beschwerde an das zuständige Oberlandesgericht offen. Dieses entscheidet in nicht öffentlicher Sitzung §89 StPO. Darüber hinaus kann der Beschuldigte eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof erheben, wenn er sich durch gesetzeswidrige Anordnung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt erachtet.
Strafhaft
Die Strafhaft ist der Vollzug einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe nach dem Strafvollzugsgesetz. Als Strafhaft gilt jede dem Vollzug eines Strafurteils dienende Haft §1 StVG. Ziel und Grundsätze des Vollzugs ergeben sich aus den Bestimmungen des StVG, einschließlich der Möglichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests im Strafvollzug nach Maßgabe der §§156b ff StVG.
Quellen
- RIS §170 StPO
- RIS §171 StPO
- RIS §172 StPO
- RIS §173 StPO
- RIS §173a StPO
- RIS §174 StPO
- RIS §175 StPO
- RIS §177 StPO
- RIS §178 StPO
- RIS §35 JGG
- RIS §1 StVG
- RIS §156b StVG
- oesterreich.gv.at Verhängung und Dauer der Untersuchungshaft
Fachbücher und Kommentare
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