Van-Gend-&-Loos-Entscheidung

Beginnend mit der Entscheidung im Verfahren Van Gend & Loos gegen niederländische Finanzverwaltung vom 5. Februar 1963 entwickelte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EuGH seine mittlerweile nahezu unbestritten geltende Rechtsprechung von der “Eigenständigkeit und dem Vorrang des Rechts der Europäischen Gemeinschaften“.

Sachverhalt und Streitgegenstand

Das niederländische Transportunternehmen van Gend & Loos führte im September 1960 einen bestimmten chemischen Grundstoff von Deutschland in die Niederlande ein. Hierbei wurde von den niederländischen Behörden aufgrund einer Neuregelung des niederländischen Zolltarifs vom 1. Januar 1960 ein Zoll in Höhe von 8% des Warenwertes erhoben. Zuvor hatte der entsprechende Zollsatz 3% betragen. Das mit der Klage gegen diese Art der Verzollung letztinstanzlich befasste niederländische Verwaltungsgericht befasste den EuGH mit der sich in diesem Zusammenhang stellenden entscheidungserheblichen europarechtlichen Frage.

Die Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof führt hier aus:

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft stellt eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts dar, zu deren Gunsten die Staaten, wenn auch in begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben; eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen.

Demnach handelt es sich beim Gemeinschaftsrecht um eine eigenständige, in den Mitgliedstaaten einheitlich, unmittelbar und vorrangig geltende Rechtsordnung, die sich sogar gegenüber mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht durchsetzt so der EuGH später in der Kreil-Entscheidung. Diese Judikatur bestätigte der EuGH in mehreren Folgeentscheidungen, insbesondere in der Costa/ENEL-Entscheidung und in Internationale Handelsgesellschaft.

Grundlage für die Doktrin vom “Vorrang des Gemeinschaftsrechts“ war zunächst, die “Eigenständigkeit der europäischen Rechtsordnung anzuerkennen“, was der EuGH ebenso in „van Gend & Loos“ tat. Der Gerichtshof entschied an dieser Stelle, dass es sich bei der Gemeinschaft um eine Rechtsordnung eigener Art handelt, welche weder völkerrechtlicher noch staatlicher Natur ist. Zwar handelt es sich bei den Gründungsverträgen unstreitig ursprünglich um völkerrechtliche Verträge, doch wurde die Loslösung der gemeinschaftlichen Rechtsordnung von dieser Grundlage und ihre daraus folgende Eigenständigkeit aus der Notwendigkeit, rechtliche Kohärenz innerhalb der Gemeinschaft zu schaffen und zu erhalten, gefolgert.

Ausgehend von dieser These lässt sich auch die Problematik des Rangverhältnisses zwischen Europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht leichter beantworten. Das „klassische“ Völkerrecht kann, je nach seiner Art, innerhalb eines Staates verschiedene Rangpositionen einnehmen.

Je nachdem, welchen Rang es in der nationalen Rechtsordnung einnimmt, kann es Vorrang beanspruchen oder muss höherstehendem Recht weichen. Auch gilt der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“, nach dem später gesetztes Recht das früher gesetzte bei Gleichrangigkeit verdrängt, nicht.

Die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts ergibt sich aus den Verträgen selbst zwar nicht, wurde vom Gerichtshof jedoch aus dem Erfordernis der einheitlichen Geltung des Europarechts gefolgert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des EuGH, was die Eigenständigkeit der europäischen Rechtsordnung anbelangt, ausdrücklich anerkannt.so in den Entscheidungen BVerfGE 22, 293 296; 31, 145 173

Zwar besagt die Eigenständigkeit der europäischen Rechtsordnung noch nichts über ihr Verhältnis zu anderen Rechtsordnungen aus, doch dient sie als Ausgangspunkt für die weitere Argumentation des Gerichtshofs. Dieser begründet den Vorrang, indem er feststellt, dass die Mitgliedstaaten ihre Souveränitätsrechte teilweise auf die Gemeinschaft übertragen haben, wodurch der Einzelne selbst gegenüber der supranationalen Einrichtung zum Rechtssubjekt mit eigenen Rechten und Pflichten geworden ist vgl. Unmittelbare Anwendbarkeit. Des Weiteren folgert er aus dem Erfordernis der Einheitlichkeit und Funktionsfähigkeit der europäischen Rechtsordnung, wonach das Europarecht einheitlich im gesamten Rechtsraum zu gelten hat, dass kein Mitgliedstaat selbst über die Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht entscheiden kann.

Literatur

  • Rechtssache 26/62, „van Gend & Loos gegen Niederländische Finanzverwaltung“, amtliche Entscheidungssammlung des EuGH 1963, Seite 1 ff. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61962J0026:DE:PDF Entscheidung als PDF – http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61962J0026:DE:NOT Entscheidung auf EUR-Lex

Einzelnachweise

http://de.wikipedia.org/wiki/Van-Gend-%26-Loos-Entscheidung 25.11.2014

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Dieser Artikel basiert auf dem in den Quellen angeführten Wikipedia-Artikel, verfügbar unter der LizenzCC BY-SA 3.0„.

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