Landesrecht

Landesrecht in Österreich

Landesrecht bezeichnet jene Normen der österreichischen Rechtsordnung, die von den Ländern erlassen oder in deren Vollzugsbereich gesetzt werden. Österreich ist ein Bundesstaat: Sowohl der Bund als auch die Länder verfügen über eigene Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenzen. Welche Ebene wofür zuständig ist, ergibt sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG).

Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern

Die wichtigsten Materien (etwa Außenpolitik, Verteidigung, ein Großteil des Zivil- und Strafrechts, Kernbereiche des Wirtschafts- und Sozialrechts) fallen in die Zuständigkeit des Bundes. Die Bundesverfassung enthält dazu vor allem in Art 10, 11 und 12 B-VG detaillierte Aufzählungen bundeseigener Kompetenzen.Demgegenüber sieht Art 15 Abs 1 B-VG eine Generalklausel zugunsten der Länder vor: Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder Vollziehung des Bundes zugewiesen ist, verbleibt sie in der Kompetenz der Länder. Dies gilt sowohl für die Landesgesetzgebung als auch für die Landesvollziehung.

Die praktische Abgrenzung erfolgt damit in drei Schritten: Zuerst ist zu prüfen, ob eine Bundeskompetenz vorliegt. Nur wenn dies zu verneinen ist, handelt es sich um eine Angelegenheit des Landes. Innerhalb der Länder verteilt sich die Zuständigkeit weiter auf Landesorgane und Gemeinden (eigener und übertragener Wirkungsbereich).

Landesgesetzgebung und Landesverfassungen

Landesgesetze werden vom Landtag des jeweiligen Bundeslandes beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren ist in der Landesverfassung geregelt und lehnt sich im Grundaufbau an das Bundesgesetzgebungsverfahren an (Initiativrecht, Beratung im Landtag, Beschluss, Beurkundung, Kundmachung im Landesgesetzblatt).

Jedes Land verfügt über eine eigene Landesverfassung. Art 99 Abs 1 B-VG gewährt den Ländern eine relative Verfassungsautonomie: Sie sind in ihrer Verfassungsgesetzgebung frei, solange ihre Landesverfassungsgesetze nicht im Widerspruch zum Bundesverfassungsrecht stehen. Ergänzend bestehen einfachgesetzliche Vorgaben, etwa zur Bestellung der Landesorgane und zur Organisation der Landesverwaltung.

Verwaltungsorganisation der Länder

Die Landesverwaltung wird im Wesentlichen durch folgende Organe wahrgenommen:

  • die Landesregierung und ihr vorstehendes Mitglied (Landeshauptfrau bzw Landeshauptmann)
  • die Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften, in Statutarstädten der Bürgermeister als Bezirksverwaltungsbehörde)
  • die Gemeinden in eigenem und übertragenem Wirkungsbereich

Welche Behörde in erster Instanz zuständig ist, richtet sich nach der jeweiligen Materie (beispielsweise Baurecht, Naturschutzrecht, Straßenrecht, Sicherheitsrecht des Landes). Das Landesrecht konkretisiert dazu die in der Bundesverfassung vorgegebenen Organisationsstrukturen.

Verwaltungsverfahren: Bedarfskompetenz des Bundes

Grundsätzlich gilt im österreichischen Bundesstaat das Prinzip der sogenannten Annexkompetenz: Der Gesetzgeber, der für die Sachmaterie zuständig ist, darf auch die dazugehörigen Verfahrensregeln erlassen. Für das Verwaltungsverfahren hat der Bundesverfassungsgesetzgeber dieses Prinzip aber eingeschränkt.

Art 11 Abs 2 B-VG räumt dem Bund eine Bedarfskompetenz ein: Soweit ein Bedürfnis nach einheitlichen Vorschriften besteht, kann der Bund das allgemeine Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in Angelegenheiten regeln, in denen die Gesetzgebung sonst den Ländern zustünde.

Auf dieser Grundlage wurden insbesondere folgende Bundesgesetze erlassen:

  • Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)
  • Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG)
  • Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG)
  • Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG)

Abweichungen durch Bundes- oder Landesgesetze sind nur zulässig, wenn sie zur Regelung der jeweiligen Materie erforderlich sind. Der Verfassungsgerichtshof legt dieses Erforderlichkeitskriterium sehr restriktiv aus, de facto im Sinn von „unerlässlich“, um eine Zersplitterung des Verwaltungsverfahrensrechts zu vermeiden.

Rechtsschutz und Instanzenzug in der Verwaltungsgerichtsbarkeit

Das Rechtsschutzsystem im Verwaltungsrecht ist heute zweistufig aufgebaut:

  1. Erste Instanz: Verwaltungsbehörde
    In einem ersten Schritt erlässt eine zuständige Verwaltungsbehörde (zB Bezirkshauptmannschaft, Bürgermeister in der Statutarstadt, Landesregierung, Bundesministerin bzw Bundesminister) einen Bescheid oder setzt sonstige Verwaltungsakte. Welche Behörde zuständig ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Materiengesetz.
  2. Verwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz
    Gegen einen Bescheid steht der betroffenen Partei in der Regel die Beschwerde an ein Verwaltungsgericht offen:

    • in Landessachen an das Landesverwaltungsgericht,
    • in bestimmten Bundesmaterien an das Bundesverwaltungsgericht,
    • in Abgabensachen an das Bundesfinanzgericht.

    Die Beschwerde ist binnen Frist bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid erlassen hat. Diese legt die Beschwerde dem zuständigen Verwaltungsgericht vor.{index=10}

  3. Höchstgerichte: Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof
    Gegen Erkenntnisse und bestimmte Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts kann unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Daneben besteht die Möglichkeit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, etwa wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze.

Ein administrativer Instanzenzug zu einer übergeordneten Verwaltungsbehörde (früher etwa von der Bezirkshauptmannschaft zur Landesregierung) besteht im Regelfall nicht mehr. Die Kontrolle der Verwaltungsbehörden erfolgt heute primär durch die Verwaltungsgerichte.

Spezialfall: eigener Wirkungsbereich der Gemeinden

Die Gemeinden haben gemäß Art 118 B-VG einen eigenen Wirkungsbereich, in dem sie bestimmte Angelegenheiten im eigenen Namen und auf eigene Verantwortung besorgen (zB örtliche Baupolizei, örtliche Raumplanung, Teile der Müllentsorgung, örtliche Straßenverwaltung).

Für diesen Bereich sieht Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG vor, dass innerhalb der Gemeinde ein zweistufiger Instanzenzug besteht: Gegen einen Bescheid eines Gemeindeorgans kann ein Rechtsmittel an ein übergeordnetes Gemeindeorgan vorgesehen werden. Dieser innergemeindliche Instanzenzug verläuft also innerhalb der Gemeindeorganisation und nicht zu Landes- oder Bundesbehörden. Der Gesetzgeber kann diesen Instanzenzug allerdings einfachgesetzlich ausschließen.

In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs (wenn die Gemeinde Bundes- oder Landesaufgaben vollzieht) gibt es hingegen keinen eigenständigen innergemeindlichen Instanzenzug. Gegen Bescheide ist in diesen Fällen wie bei anderen Verwaltungsbehörden die Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht vorgesehen.

Zusammenfassung

Landesrecht umfasst alle Normen und Verwaltungsakte, die in der Zuständigkeit der Länder liegen. Die Bundesverfassung weist dem Bund bestimmte zentrale Materien zu und überlässt den Ländern den übrigen Bereich, gestützt auf die Generalklausel des Art 15 Abs 1 B-VG. Die Länder verfügen über eigene Landesverfassungen, Landtage und Landesregierungen und bedienen sich der Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden zur Vollziehung.

Das Verwaltungsverfahrensrecht ist trotz föderaler Struktur weitgehend durch Bundesgesetze vereinheitlicht (AVG, VStG, VVG, EGVG), von denen nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden erfolgt grundsätzlich in einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof), ergänzt durch den Verfassungsgerichtshof. Im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden besteht ein besonderer innergemeindlicher Instanzenzug, der aber gesetzlich ausgeschlossen werden kann.

Literatur

  • Heinz Mayer / Gabriele Kucsko-Stadlmayer / Karl Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 11. Auflage, MANZ Verlag Wien 2015
  • Dieter Kolonovits / Gerhard Muzak / Karl Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts einschließlich der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und vor dem VwGH, 11. Auflage, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien 2019
  • Gerhard Muzak, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht. B-VG, F-VG, Grundrechte, Verfassungsgerichtsbarkeit, 6. Auflage, MANZ Verlag Wien 2020
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