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Ordentliches Gesetzgebungsverfahren

Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vor dem Vertrag von Lissabon Mitentscheidungsverfahren oder Kodezisionsverfahren genannt, ursprünglich auch Verfahren nach Art. 189b nach seiner Stelle im EG-Vertrag ist das mittlerweile am häufigsten anzuwendende Gesetzgebungsverfahren in der Rechtsetzung der EU. Es ist in fast allen Bereichen der Gesetzgebung der EU anzuwenden, in denen im Rat der Europäischen Union eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit erfolgt.

Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist die Rolle des Europäischen Parlaments besonders stark ausgeprägt: Nach diesem Verfahren kann ohne seine Zustimmung ein Rechtsakt z. B. Richtlinie oder Verordnung nicht in Kraft treten. Dies gilt zwar auch für das Zustimmungsverfahren, aber nur im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren hat das Europäische Parlament auch das Recht, formelle Abänderungsvorschläge zu beschließen.

Das Mitentscheidungsverfahren wurde erstmals 1992 mit dem Vertrag von Maastricht für bestimmte Politikbereiche der Europäischen Gemeinschaft EG eingeführt. Es ist das wichtigste Verfahren im Rahmen der supranationalen Gemeinschaftsmethode.

Ablauf des Verfahrens

Das Verfahren selbst richtet sich nach Art. 294 AEU-Vertrag und umfasst bis zu drei Lesungen.

Die Europäische Kommission hat das alleinige Initiativrecht ”in den Verträgen sind Ausnahmen von diesem Prinzip vorgesehen” und schlägt einen Rechtsakt vor. Damit wird das Verfahren eingeleitet.

Das Europäische Parlament gemäß Art. 225 AEUV und der Rat der Europäischen Union gemäß Art. 241 AEUV können die Europäische Kommission auffordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Eine solche Aufforderung ist auch Unionsbürgern im Rahmen einer Bürgerinitiative möglich Art. 11 EU-Vertrag und Art. 24 AEUV.

Neben den in den Verträgen geregelten Verfahrensschritten kann über das gesamte Verfahren hinweg ein sogenannter ”informeller Trilog”, das heißt Beratungen zwischen zwei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, dem Ratspräsidenten und der Europäischen Kommission, stattfinden.

Erste Lesung

Das Europäisches Parlament Europäische Parlament Parlament berät über den Gesetzesvorschlag der Europäische Kommission Kommission Kommission und legt mit Einfache Mehrheiteinfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen ohne Stimmenthaltung Enthaltungen oder Nichtanwesende zu zählen seinen Standpunkt fest. Das Parlament kann damit den Vorschlag ohne Änderungen billigen oder Änderungsvorschläge machen.

Darauf folgt die erste Lesung im Rat der Europäischen Union Rat. Dieser kann per Beschluss mit Qualifizierte Mehrheit EU qualifizierter Mehrheit entweder den Standpunkt des Parlaments annehmen oder einen eigenen Standpunkt erarbeiten. Bestätigt er den Standpunkt des Parlaments, so ist das Verfahren beendet und der Rechtsakt wurde erlassen.

Hat der Rat einen eigenen Standpunkt festgelegt, so informiert er das Europäische Parlament über die Gründe seiner Entscheidung. Auch die Kommission legt ihren Standpunkt in der Sache fest. Die Standpunkte des Rates und der Kommission werden an das Parlament zur zweiten Lesung übermittelt.

Zweite Lesung

Mit der Verabschiedung des Standpunkts des Rates und dessen Übermittlung an das Parlament beginnt eine dreimonatige Frist für die zweite Lesung.

Das Parlament entscheidet über den Standpunkt des Rates und hat drei Möglichkeiten:
Ablehnung mit Absolute Mehrheit|absoluter Mehrheit der Mitglieder: Der Rechtsakt ist ”gescheitert”. Die Kommission kann jedoch einen grundlegend überarbeiteten Vorschlag vorlegen wodurch ein neues Verfahren eingeleitet wird.
Annahme mit Einfache Mehrheit|einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen oder kein Beschluss: Der Rechtsakt ist in der Fassung des Standpunktes ”erlassen”.
Annahme von Änderungsvorschlägen mit absoluter Mehrheit der Mitglieder.

Hat das Parlament Änderungsvorschläge beschlossen, wird der Rat wieder befasst. Er kann den vom Parlament geänderten Text
binnen drei Monaten billigen der Rechtsakt wäre dann ”erlassen” oder
binnen drei Monaten ablehnen oder in der Frist keinen Beschluss fassen in diesem Fall wird ein Vermittlungsausschuss einberufen.

Über die Billigung der Änderungsvorschläge des Parlaments entscheidet der Rat mit Qualifizierte Mehrheit EU qualifizierter Mehrheit. Hat jedoch die Kommission eine ablehnende Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Parlaments abgegeben, so bedarf der Beschluss im Rat der Einstimmigkeit.

Vermittlungsausschuss

Stimmt der Rat der geänderten Fassung des Parlaments nicht zu, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen.

Der Vermittlungsausschuss ist paritätisch aus Vertretern von Rat und Parlament zusammengesetzt der Ausschuss hat doppelt so viele Mitglieder, wie die Union Mitgliedstaaten hat. Die Kommission nimmt ebenfalls beobachtend teil Trilog. Innerhalb von sechs Wochen muss eine Entscheidung gefunden werden. Kommt es zu keiner Einigung, ist der Rechtsakt ”gescheitert”. Wird eine Einigung erzielt, folgt binnen sechs Wochen die ”dritte Lesung”.

Dritte Lesung

In der dritten Lesung stimmen Parlament mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen und Rat (mit qualifizierter Mehrheit) über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ab. Lehnt auch nur eines der Organe den Text ab oder fasst auch nur eines der Organe in der sechswöchigen Frist keinen Beschluss, ist der Rechtsakt ”gescheitert”, wird er von beiden angenommen, ist er ”angenommen”.

Geschichte und Anwendungsbereiche

Das Verfahren wurde erstmals durch den Vertrag von Maastricht unter der Bezeichnung ”Mitentscheidungsverfahren” in Art. 189b EG-Vertrag eingeführt. Es galt damals nur in einigen wenigen Bereichen, wie beispielsweise das Forschungsrahmenprogramm und die Verbraucherpolitik. Mit den Verträgen von Vertrag von Amsterdam Amsterdam und Vertrag von Nizza Nizza kamen weitere Bereiche hinzu, sodass das Verfahren nach dem Vertrag von Nizza in mehr als der Hälfte aller Politikbereiche anzuwenden war. Im Vertrag von Amsterdam wurde das Verfahren zudem vereinfacht, sodass es schneller durchgeführt werden konnte. Aufgrund der Neunummerierung der Vertragsartikel war es nun in Art. 251 EG-Vertrag zu finden.

Mit dem Vertrag von Lissabon erhielt das Mitentscheidungsverfahren seinen neuen Platz in Art. 294 AEU-Vertrag; es wurde in “ordentliches Gesetzgebungsverfahren” umbenannt und der Anwendungsbereich wurde weiter ausgeweitet. Es ist nun in fast allen Bereichen der Gesetzgebung anzuwenden, in denen im Rat der Europäischen Union eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit erfolgt.

Weblinks

  • http://www.bpb.de/files/ANR6Y2.pdf Grafische Darstellung des Mitentscheidungsverfahrens aus einer Publikation der bpb PDF-Datei; 252 kB
  • http://www.europarl.europa.eu/external/html/legislativeprocedure/default_de.htm Grafische Darstellung des Mitentscheidungsverfahrens auf den Seiten des Europaparlaments
  • http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/CodecGuide.DE.pdf Leitfaden des Ministerrates zum Mitentscheidungsverfahren PDF 314 kB
  • http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2011/ordentliches_Gesetzgebungsverfahren.pdf Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren – Darstellung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages PDF 70kB

Quellen

http://de.wikipedia.org/wiki/Ordentliches_Gesetzgebungsverfahren 09.11.2014

Lizenzinformation zu diesem Artikel

Dieser Artikel basiert auf dem in den Quellen angeführten Wikipedia-Artikel, verfügbar unter der LizenzCC BY-SA 3.0“.

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