Oberster Gerichtshof bringt Wendepunkt bei Wertsicherungsklauseln

Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 15/25s vom 30.7.2025) bringt eine Wende bei der Beurteilung von Indexklauseln in Mietverträgen. Der 10. Senat des OGH setzt sich kritisch mit der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur und Literatur auseinander und kommt in einem umfassenden und sorgfältig begründeten Urteil zum Ergebnis, dass der § 6 (2) Z 4 KSchG (Konsumentenschutzgesetz) auf längerfristige Bestandverträge, also solche die länger als zwei Monate laufen, nicht anwendbar ist. Damit sind Wertsicherungsklauseln gültig, auch wenn sie nicht ausdrücklich vorsehen, dass eine Indexierung in den ersten zwei Monaten ausgeschlossen ist.

Anlassfall war eine Dachgeschoßwohnung im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG). Der Vermieter (Unternehmer) bediente sich eines Vertragsmusters mit typischer Wertsicherungsklausel für das auf 10 Jahre befristete Mietverhältnis, welches sohin nicht im Einzelnen mit der Mieterin (Verbraucherin) ausverhandelt wurde. Eine Klausel, dass der Mietzins in den ersten beiden Monaten nicht indexiert werden darf (2-Monats-Sperre), war nicht enthalten.

2-Monatssperre in Mietverträgen nicht notwendig, § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Bestandverträge nicht anwendbar

Der OGH setzte sich umfassend mit den in jüngerer Zeit ergangenen höchstgerichtlichen Urteilen und auch der diesbezüglichen Kritik der juristischen Experten auseinander, welche bisherige Ergebnisse zum Teil auch als „völlig überzogen“ qualifiziert hatten. Nach der Kernaussage sind Wertsicherungsklauseln auch ohne die sogenannte „2-Monats-Sperre“ wirksam. Gemeint sind Indexklauseln, welche eine Anhebung der Miete innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss nicht ausschließen. Entgegen den zuletzt ergangenen Entscheidungen ist nämlich nach Ansicht des OGH der § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht auf Bestandverträge anwendbar, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vollständig zu erbringen ist. Mit Ausnahme von Kurzzeitvermietungen dürfte damit klargestellt sein, dass eine Wertsicherungsklausel nicht schon aus dem Grund des Fehlens der „2-Monats-Sperre“ unwirksam ist und ein Rückforderungsanspruch des Mieters für Miete aufgrund vergangener Indexierungssprünge – sowohl in Verbandsverfahren als auch in Individualprozessen einzelner Mieter – damit ausgeschlossen ist.

Im Vordergrund dieser Entscheidung stehen der Normzweck, die Gesetzesmaterialien (also die Erwägungen des Gesetzgebers bei Einführung der Bestimmung) und auch EU-rechtliche Entwicklungen – die Kernaussagen des Höchstgerichts dazu: Eine im Mietvertrag klar umschriebene Wertsicherungsklausel ist nach dem OGH schon begrifflich keine Entgelterhöhung durch den Vermieter, denn der Mieter habe „nicht mehr (bei Inflation) oder weniger (bei Deflation) Entgelt zu leisten, als im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart“, auch wenn sich der nominelle Betrag ändere. Und auch nach dem Gesetzeswortlaut selbst sei diese KSchG-Bestimmung auf längerfristige Dauerschuldverhältnisse gar nicht anwendbar und eine Nichtigkeit daher nicht im Gesetzeswortlaut gedeckt; die Bestimmung gelte nämlich nur für Entgeltserhöhungen für die durch den Unternehmer „innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung“, die Vermietungsleistung geht aber bei längerfristigen Mietverträgen über diese zwei Monate hinaus. Auch kann eine inflationsbedingte Anpassung des Entgelts bei längerfristigen Mietverhältnissen nicht als „überraschende, einseitige Entgelterhöhung“ (Überraschungsverbot) qualifiziert werden, schließlich ist sie sogar im Gesetz selbst, im Vollanwendungsbereich des MRG, vorgesehen. Man kann daher dem Gesetzgeber nicht unterstellen, dass er durch Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf solche unkündbaren Mietverträge – und damit einer Nichtindexierung auch auf längere Vertragslaufzeit – enorme Unbilligkeiten für solche Vertragsverhältnisse gebilligt hätte.

Umfassende Auseinandersetzung mit bisheriger Rechtsprechung

In seiner Beurteilung der bisherigen jüngeren höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowohl des OGH als auch des Verfassungsgerichtshofs spricht der 10. Senat des OGH aus, dass „die bisherige Judikatur zur hier relevanten Frage stark von nebenbei vertretenen Rechtsmeinungen, impliziten Annahmen und beschlussmäßigen Zurückweisungen geprägt“ gewesen sei. Der erkennende Senat war sich durchaus bewusst, dass seine Rechtsmeinung von Vorentscheidungen abweicht, aber er zeigt, dass eben noch keine anderslautende „ständige Rechtsprechung“ vorliege und daher auch nicht eine Entscheidung durch einen verstärkten Senat des OGH geboten war.

Bezüglich Teilbarkeit von einzelnen Teilen/Sätzen einer Wertsicherungsklausel bestätigte der 10. Senat auch eine frühere Rechtsmeinung des OGH (8 Ob 81/24f). Eine Vertragsbestimmung kann durchaus aus mehreren inhaltlichen Klauseln bestehen, die jede für sich allein zu verstehen ist. Dh auch im Sinne eines „blue pencil test“ (also der Frage, ob die Klausel ohne den unwirksamen Teil noch einen eigenständigen, sinnvollen Regelungsgegenstand enthält) ist daher eine Wertsicherungsklausel nicht zur Gänze nichtig, wenn auch eine enthaltene Teilregelung (zB über einen Nachfolgeindex) nichtig ist.

Fazit

„Auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge), die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist, ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar.“

Nach dieser detailliert begründeten Entscheidung ist daher eine Wertsicherungsklausel, und damit eine Indexierung des Mietzinses bei längerfristigen Mietverträgen zulässig, auch wenn eine Regelung über den Ausschluss der Anpassung des Mietzinses in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss fehlt.

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