Unter einer Amtspflichtverletzung versteht man ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten eines staatlichen Organs (z. B. Behörde, Amtswalter) in Vollziehung der Gesetze, durch das einer Person ein Schaden entsteht. Der daraus abgeleitete Ersatzanspruch richtet sich in Österreich nicht gegen die einzelne Organperson, sondern gegen den jeweils verantwortlichen Rechtsträger (Bund, Land, Gemeinde, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts) nach dem Amtshaftungsgesetz (AHG) – insbesondere § 1 AHG.
Wer haftet?
Für Schäden, die Organe in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig und schuldhaft verursachen, haftet der Rechtsträger „nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts“. Dem Geschädigten haftet das Organ selbst grundsätzlich nicht.
Voraussetzungen im Überblick
- Organhandlung in Vollziehung der Gesetze (hoheitliches Handeln; nicht erfasst ist typischerweise die reine Privatwirtschaftsverwaltung).{index=2}
- Rechtswidrigkeit des Verhaltens,
- Verschulden (leichte Fahrlässigkeit genügt),
- Schaden (Personen- oder Vermögensschaden) und
- adäquate Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden.
Abgrenzung: Hoheitsverwaltung vs. Privatwirtschaftsverwaltung
Amtshaftung setzt hoheitliches Handeln voraus (z. B. Bescheiderlassung, Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt). Tätigkeiten der Privatwirtschaftsverwaltung fallen demgegenüber regelmäßig nicht unter das AHG; hier kommt grundsätzlich das allgemeine Schadenersatzrecht zur Anwendung. Die Rechtsprechung grenzt danach ab, welche rechtstechnischen Mittel eingesetzt werden (öffentlich‑rechtliche vs. privatrechtliche).
Geltendmachung des Anspruchs
Vor einer Klage ist der Rechtsträger zunächst schriftlich aufzufordern, binnen drei Monaten mitzuteilen, ob und in welcher Höhe er den Anspruch anerkennt (§ 8 AHG). Dieses Aufforderungsverfahren hemmt die Verjährung für die Dauer von bis zu drei Monaten.
Gerichtszuständigkeit
Für die Amtshaftungsklage ist ausschließlich das sachlich zuständige Landesgericht am Ort der Rechtsverletzung zuständig (§ 9 Abs 1 AHG). Damit erfolgt die Durchsetzung auf dem zivilgerichtlichen Rechtsweg.
Verjährung
Amtshaftungsansprüche verjähren grundsätzlich in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger; zusätzlich gilt eine objektive Höchstfrist von zehn Jahren ab Schadenseintritt. Bei rechtsverletzenden Entscheidungen läuft die Verjährung keinesfalls vor Ablauf eines Jahres ab deren Rechtskraft (§ 6 AHG).
Regress gegenüber dem Organ
Hat der Rechtsträger dem Geschädigten geleistet, kann er von der Organperson Rückersatz verlangen, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat; bei grober Fahrlässigkeit ist eine Mäßigung nach Billigkeit möglich (§ 3 AHG; Verweis auf Kriterien des DHG). Leichte Fahrlässigkeit löst grundsätzlich keinen Regress aus.
Praxisnahe Beispiele
- Polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt führt durch rechtswidriges Vorgehen zu einer Körperverletzung – Anspruch gegen den Rechtsträger nach AHG.
- Baubehörde erlässt einen rechtswidrigen Bescheid und verursacht dadurch Vermögensschaden – Amtshaftungsanspruch (mit Fristen nach § 6 AHG).
- Reine Vertragsabwicklung eines öffentlichen Unternehmens (z. B. Kaufvertrag) – regelmäßig Privatwirtschaftsverwaltung, daher kein AHG, sondern allgemeines Schadenersatzrecht.
Quellen
- Ziehensack, AHG – Amtshaftungsgesetz. Praxiskommentar, 2. Auflage, LexisNexis ARD ORAC, Wien 2023.
- Paar, Grundzüge des Amtshaftungsrechts, 2. Auflage, MANZ, Wien 2021.
- Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, MANZ, Wien 2021.
- Kerschner (Hrsg), Klang³ – Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, LexisNexis, 3. Auflage, Online‑Kommentar (Stand 2023 ff.).