Unter Unterlassen (oder: Unterlassung) wird im rechtswissenschaftlichen Bereich eine Handlungsalternative zum positiven Tun und zum Dulden verstanden. Sie besteht im Untätigsein.
Von Unterlassen spricht man, wenn der Täter nach außen erkennbar inaktiv bleibt und den Dingen ihren Lauf lässt, von Tun dagegen wenn er aktiv wird und bestimmte Kausalverläufe in Gang setzt.
Begriff
Die Abgrenzung vom Dulden zum Unterlassen ist fließend: Das Dulden stellt eine gewollte passive Haltung zum aktiven Handeln eines anderen dar, während das Unterlassen das gewollte passive Verhalten in einer Situation bezeichnet, in welcher der Unterlassende selbst aktiv werden könnte. Auf Grund des rechtswissenschaftlichen Verständnisses des Unterlassens als eine Ausdrucksform der Handlung, unterscheidet sich der rechtswissenschaftliche vom naturwissenschaftlichen Handlungsbegriff.
Die modernen Rechtsordnungen sehen das Unterlassen als solches in der Regel noch nicht als haftungs- oder strafbegründend an. Vielmehr muss daneben eine Handlungspflicht treten. Grundlage dafür ist die Ausrichtung auf die Eigenverantwortlichkeit des Individuums. Weiterhin bedarf es einer sog. hypothetischen Kausalität für das Schadensereignis: Kann die mögliche Handlung die nicht sozialadäquat zu sein braucht nicht hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, fehlt es schließlich an der Zurechnung Zurechenbarkeit.
Für ein Unterlassen ist notwendig, dass der Täter eine bestimmte rechtliche geforderte Tätigkeit nicht vornimmt. Rechtlich gefordert wird aber nur das Mögliche. Damit liegt kein strafrechtlich relevantes Unterlassen vor, wenn der Täter ihm physisch-real unmögliche Handlungen unterlässt.
Zivilrecht
Ein Unterlassen kann im Deliktsrecht nur dann eine Schadensersatzpflicht auslösen, wenn für den Täter Verkehrssicherungspflichten bestehen oder einer Garantenstellung als Beschützer oder Überwachergarant. Andernfalls ist das Unterlassen nicht rechtswidrig.
Überwachergarant ist derjenige, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat oder für sie Verantwortung trägt: Beispielsweise hat er eine Grube gegraben, in die jemand stürzen könnte, oder er ist zum Schneeräumen auf seinem Abschnitt des Bürgersteiges verpflichtet. Darunter fallen auch die sog. „Ingerenz“, das vorausgegangene gefährliche Tun und die sog. Zustandshaftung.
Beschützergarant ist derjenige, den eine besondere Schutzpflicht hinsichtlich eines Rechtsgutes trifft. Diese Schutzpflicht kann aus der persönlichen Verbundenheit Ehe, enge Verwandtschaft oder aus tatsächlicher Übernahme der Gewähr für das Rechtsgut erwachsen wobei eine vertragliche Verpflichtung auch unwirksam sein kann, daher ”tatsächliche” Übernahme. Eine Schutzpflicht kann sich ansonsten auch aus dem Gesetz ergeben.
Strafrecht
Im Strafrecht werden zwei Arten von Unterlassungsdelikten unterschieden. Dieser Unterschied beruht auf der Systematik der Gesetzbücher.
- Echte Unterlassungsdelikte sind Tatbestände, die nur durch ein Unterlassen verwirklicht werden
- Bei unechten Unterlassungsdelikten ergibt sich die Strafbarkeit aus einem Zusammenwirken des Allgemeinen Teils des Strafrechts mit einem Tatbestand des Besonderen Teils:
Beide Normen zusammengedacht ergäben folgenden Wortlaut: „Wer einen Menschen tötet oder nicht verhindert, dass ein Mensch getötet wird, obwohl er dazu verpflichtet ist, wird bestraft“.
Bei beiden Arten von Delikten wird vom Täter eigentlich gefordert eine Handlung vorzunehmen. Diese Handlung muss für ihn möglich und zumutbar gewesen sein. Er muss erkennen, dass er eigentlich handeln müsste und dies vorsätzlich sein lassen.
Bei den „unechten Unterlassungsdelikten“ trifft den Täter zudem eine besondere Pflicht, diese Handlung vorzunehmen, die Garantenpflicht, und das Unterlassen muss zu einem Handeln gleichwertig sein.
Alle sog. Begehungsdelikte können grundsätzlich auch durch Unterlassen begangen und entsprechend bestraft werden. Ausdrücklich geregelt ist das in § 2 StGB.
Gesetzesauszug § 2 StGB Begehung durch Unterlassung
Bedroht das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe, so ist auch strafbar, wer es unterlässt, ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist.
Prüfungsschema des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts Erfolgsdelikt
- TATBESTAND
- Objektiver Tatbestand
- Deliktspezifisch: Qualität des Tatsubjekts Sonderdelikte
- Erfolg
- Nichtvornahme des gebotenen Tuns
- Tatsächliche Möglichkeit des gebotenen Tuns
- Hypothetische Kausalität
- Garantenstellung
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz hinsichtlich aller Umstände des objektiven Tatbestands § 5 StGB
- Deliktspezifisch: erweiterter Vorsatz § 5 StGB
- Objektive Zurechnung
- Unterlassen
- Soziale Inadäquanz
- Freiwillige Selbstgefährdung des Opfers
- Bei verhaltensgebundenen Delikten: Gleichwertigkeit mit positivem Tun
- Erfolg
- Risikozusammenhang
- RECHTSWIDRIGKEIT
- SCHULD
- Zurechnungsfähigkeit §§ 11 StGB, 4 JGG
- Unrechtsbewusstsein
- Zumutbarkeit
- Deliktspezifisch: besondere Schuldmerkmale
Abgrenzung
Das aktive Vereiteln fremder Rettungsmaßnahmen ist dagegen immer Tun.
Quellen
- http://www.jku.at/strafrecht/content/e200793/e200795/Fallprfungsschemata.pdf
- http://de.wikipedia.org/wiki/Unterlassen Deutschland 22.03.2021
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