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OGH zum fremdhändigen Testament – lose Blätter reichen nicht

Äußere oder innere Urkundeneinheit entscheidend

Gemäß der Rechtsprechung des OGH in der Entscheidung 2 Ob 143/19x, muss bei einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung eine äußere oder innere Urkundeneinheit bestehen.

Ausgangssachverhalt

Der Erblasser hinterließ seine Witwe, die Erstantragstellerin, sowie vier volljährige Söhne, darunter den Zweit- und Drittantragsteller. Der Verstorbene hatte eine mittels Computer verfasste letztwillige Verfügung hinterlassen. In diesem Testament setzte der letztwillig Verfügende seine Ehegattin zur Erbin seines gesamten Vermögens ein. Einen nicht streitbeteiligten Sohn setzte er zum Ersatzerben ein. Weiters vermachte er seinem Enkel eine Liegenschaft samt Wohnhaus, wobei er ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten seiner Ehegattin und dem Ersatzerben anordnete. Der Gattin vermachte er weiters ein lebenslanges unentgeltliches und höchstpersönliches Wohnungsgebrauchsrecht an den im Erdgeschoss des Wohnhauses gelegenen Räumlichkeiten.

Das Testament

Das Testament  vom 6. 10. 2017  bestand aus zwei losen Blättern. Die Fußzeilen waren mit Seitenzahlen versehen. Das erste Blatt verzeichnet den Text des Testaments und das zweite Blatt enthielt den Ort und das Datum sowie die handschriftliche nuncupatio mit den Worten “Das ist mein letzter Wille”. Unter der nuncupatio befand sich die Unterschriften des Erblassers und der drei Zeugen. Die Unterschrift der Zeugen wurde mit deren Geburtsdaten sowie jeweils dem Zusatz “als ersuchter Testamentszeuge” versehen. Dies unterhalb der vorgedruckten Bestätigung wonach “der Testator in unserer gleichzeitigen und ununterbrochenen Gegenwart dieses Testament eigenhändig unterfertigt und mit dem eigenhändigen geschriebenen Zusatz versehen hat, dass diese Urkunde seinen letzten Willen enthält”. Die Blätter wurden lose in einem offenen beschrifteten Kuvert in der Kanzlei des Vertreters der Erstantragstellerin verwahrt.

Der Prozessverlauf

Sowohl die Witwe als auch die streitbeteiligten Söhne gaben eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Die Witwe berief sich auf das Testament vom 6.10.2017, die Söhne auf das Gesetz. Die Witwe beantragte aufgrund der formgültigen letztwilligen Verfügung ihres verstorbenen Ehegatten ihr Erbrecht festzustellen und die Erbantrittserklärung der Söhne abzuweisen. Sie begründete dies damit, dass die Einheit des Testaments durch den Hinweis auf den Gesamtumfang der Verfügung sowie den angeführten Seitenverweisen beurkundet sei. Die streitbeteiligten Söhne wandten ein, dass sich die Unterschrift des Verfügenden sowie der Testamentszeugen nicht auf der Verfügung selbst befinde und dadurch keine einheitliche Urkunde vorliege. Des Weiteren brachten sie vor, dass das Schriftstück in einem offenen Kuvert übergeben wurde.

Das Erstgericht stellte das Erbrecht der Witwe fest und die Erbantrittserklärung der Söhne wurde abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung durch das Erstgericht damit, dass das Testament formgültig sei. Es bestehe ein klarer räumlicher und inhaltlicher Zusammenhang zwischen den losen Blättern. Zudem erörterte das Erstgericht, dass eine Unterschrift des Testators und der Zeugen auf dem Blatt mit dem Text nicht möglich gewesen sei, da beide Seiten vollständig beschrieben waren. Auch das Schriftbild und die Fußzeilennummerierung würden die Einheit des Dokuments bestätigen.

Das Rekursgericht wies die Erbantrittserklärung der Witwe ab und stellte das Erbrecht des Zweit- und Drittantragstellers fest. Es vertrat die Ansicht, dass das Testament formungültig sei. Der nuncupatio auf dem zweiten Blatt sei nicht zu entnehmen, worauf sich diese beziehe. Der einzige Zusammenhang sei der Seitenhinweis. Mangels Verbindung der Blätter wäre ein Austausch zu leicht möglich gewesen. Gegen diese Entscheidung brachte die Witwe einen Revisionsrekurs mit einem Abänderungsantrag ein, ihr Erbrecht festzustellen und die Erbantrittserklärung der Söhne abzuweisen.

Beurteilung des OGH

Der OGH führt aus, dass ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Blättern bestehen muss, dieser stellt die innere Urkundeneinheit dar. Darunter versteht der erkennende Senat neben der Fortsetzung des Textes auch einen Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf die Verfügung. Wichtig ist, dass die Bezugnahme inhaltlicher Natur ist. Die Angabe des Orts und des Datums des Testaments sowie der gesetzlich erforderlichen nuncupatio erfüllen nicht die Kriterien der inneren Urkundeneinheit. Es fehlt der inhaltliche Bezug zum Testament.

Wird zwischen den einzelnen Blättern jedoch eine äußere Urkundeneinheit hergestellt, braucht es keinen inhaltlichen Zusammenhang. Äußere Urkundeneinheit ist gegeben, wenn die Blätter so miteinander verbunden sind, dass die Verbindung nur mit der Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde selbst gelöst werden kann. Als Beispiele werden Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile angeführt. Die losen Blätter in einem Kuvert aufzubewahren – verschlossen oder nicht – reiche für die äußere Urkundeneinheit nicht aus. Auch die Aufbewahrung im Tresor eines Rechtsanwaltes reiche nicht.

Genau diese Anforderungen fehlten laut OGH jedoch im Ausgangssachverhalt.

Conclusio

Bei einem fremdhändigen Testament muss entweder eine äußere oder innere Urkundeneinheit bestehen. Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist laut OGH nicht erforderlich. Es darf kein Zweifel offen bleiben, dass bei einem mehrseitigen fremdhändigen Testament ein Zusammenhang zwischen den Seiten besteht. Wenn man bedenkt, dass in Erbrechtsverfahren auch die Emotionen der beteiligten Parteien eine große Rolle spielen, ist eine klare und eindeutige Rechtslage wünschenswert.

 

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