Gesetz

Verrechnungspreisdokumentationsgesetz

VPDG
Stand der Gesetzgebung: 19.05.2024
§ 1 Umsetzung von Unionsrecht und einer qualifizierten Vereinbarung
Mit diesem Bundesgesetz werden die Richtlinie (EU) 2016/881 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABl. Nr. L 146 vom 03.06.2016 S. 8, und das multilaterale Regierungsübereinkommen über den Austausch länderbezogener Berichte in österreichisches Recht umgesetzt.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet
1. „Multinationale Unternehmensgruppe“ eine Gruppe von Geschäftseinheiten, die zwei oder mehr Geschäftseinheiten umfasst, deren steuerliche Ansässigkeit in unterschiedlichen Staaten oder Gebieten liegt, und die durch Eigentum oder Beherrschung verbunden sind, sodass sie entweder nach den geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses für Rechnungslegungszwecke verpflichtet ist oder dazu verpflichtet wäre, wenn Eigenkapitalbeteiligungen an einem der Unternehmen an einer öffentlichen Wertpapierbörse gehandelt würden.
2. „Geschäftseinheit“ eine der folgenden Einheiten:
a) einen eigenständigen Geschäftsbereich einer multinationalen Unternehmensgruppe, der für Rechnungslegungszwecke in den konsolidierten Abschluss der multinationalen Unternehmensgruppe einbezogen wird oder darin einbezogen würde, wenn Eigenkapitalbeteiligungen an diesem Geschäftsbereich einer multinationalen Unternehmensgruppe an einer öffentlichen Wertpapierbörse gehandelt würden;
b) einen eigenständigen Geschäftsbereich, der nur aufgrund seiner Größe oder aus Wesentlichkeitsgründen nicht in den konsolidierten Abschluss der multinationalen Unternehmensgruppe einbezogen wird;
c) eine Betriebsstätte eines unter Buchstabe a oder b fallenden eigenständigen Geschäftsbereichs einer multinationalen Unternehmensgruppe, sofern der Geschäftsbereich für Rechnungslegungs-, Aufsichts-, Steuer- oder interne Steuerungszwecke einen Einzelabschluss für diese Betriebsstätte aufstellt.
3. „Oberste Muttergesellschaft“ eine Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe, die die folgenden Kriterien erfüllt:
a) sie besitzt direkt oder indirekt ausreichende Anteile an einer oder mehreren Geschäftseinheiten einer solchen multinationalen Unternehmensgruppe, sodass sie zur Aufstellung von konsolidierten Abschlüssen nach den im Staat oder Gebiet ihrer Ansässigkeit allgemein geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen verpflichtet ist oder dazu verpflichtet wäre, wenn ihre Eigenkapitalbeteiligungen an einer öffentlichen Wertpapierbörse im Staat ihrer Ansässigkeit gehandelt würden und
b) innerhalb der multinationalen Unternehmensgruppe existiert keine andere Geschäftseinheit, die direkt oder indirekt Anteile im Sinne von Buchstabe a an der erstgenannten Geschäftseinheit besitzt.
4. „Konsolidierter Abschluss“ der Abschluss einer multinationalen Unternehmensgruppe, in dem die Vermögenswerte, Schulden, Einkünfte, Aufwendungen und Cashflows der obersten Muttergesellschaft und der anderen Geschäftseinheiten so dargestellt werden, als gehörten sie zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit.
5. „Ansässigkeitsstaat“ jener Staat oder jenes Gebiet, in dem sich der Sitz oder Ort der Geschäftsleitung einer Geschäftseinheit befindet. Eine Betriebsstätte gilt für Zwecke dieses Bundesgesetzes im Staat oder Gebiet der Lage als ansässig.
6. „Länderbezogener Bericht“ (Country-by-Country Report) ein Bericht, der Informationen zur weltweiten Verteilung der Erträge, der Steuern und der Geschäftstätigkeit einer multinationalen Unternehmensgruppe aufgeteilt auf die einzelnen Staaten oder Gebiete enthält.
7. „Master File“ ein Bericht über die weltweite Geschäftstätigkeit und Verrechnungspreispolitik der multinationalen Unternehmensgruppe.
8. „Local File“ ein Bericht über die spezifischen gruppeninternen Geschäftsvorfälle einer einzelnen Geschäftseinheit.
9. „Zuständiges Finanzamt“ bei Körperschaften jenes Finanzamt, welches für die Erhebung der Körperschaftsteuer zuständig ist bzw. bei Personengesellschaften jenes Finanzamt, welches für die Feststellung von Einkünften zuständig ist.
10. „Qualifizierte Vereinbarung“ eine Vereinbarung mit den bevollmächtigten Vertretern eines Staates oder Gebietes, der bzw. das Vertragspartei eines internationalen Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ist und welche die beteiligten Staaten oder Gebiete zum automatischen Austausch der länderbezogenen Berichte verpflichtet.
11. „Vertretende Muttergesellschaft“ eine Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe, die von dieser als alleinige Vertreterin der obersten Muttergesellschaft benannt wurde, um den länderbezogenen Bericht im Ansässigkeitsstaat dieser Geschäftseinheit im Namen der multinationalen Unternehmensgruppe vorzulegen, sofern zumindest eine der in § 5 Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt ist und diese Geschäftseinheit alle Informationen erhalten oder einholen kann, die für die Vorlage des länderbezogenen Berichts im Sinne des § 4 erforderlich sind.
In Kraft seit 01.07.2020
§ 3 Dokumentationspflicht
(1) Für eine multinationale Unternehmensgruppe ist ein länderbezogener Bericht zu erstellen, wenn der Gesamtumsatz in dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr gemäß dem konsolidierten Abschluss mindestens 750 Millionen Euro beträgt.
(2) Eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe hat ein Master File sowie ein Local File zu erstellen, wenn in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren die Umsatzerlöse den Betrag von 50 Millionen Euro überschritten haben. Diese Pflichten entfallen ab dem folgenden Wirtschaftsjahr, wenn die Umsatzerlöse in zwei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren die maßgeblichen Beträge nicht mehr überschritten haben.
(3) Ungeachtet des Abs. 2 ist eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe auf Ersuchen des zuständigen Finanzamtes zur Vorlage eines Master File verpflichtet, wenn nach den Bestimmungen eines anderen Staates oder Gebietes durch eine dort ansässige Geschäftseinheit ein Master File zu erstellen ist.
(4) Neben diesem Bundesgesetz bestehende Dokumentationspflichten bleiben unberührt. Das zuständige Finanzamt kann zusätzliche Unterlagen zur Vorlage anfordern, die für die Ermittlung und Prüfung der angemessenen gruppeninternen Verrechnungspreisgestaltung erforderlich sind.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 4 Pflicht zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts
Für eine multinationale Unternehmensgruppe im Sinne des § 2 Z 1 ist zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts entsprechend der , und verpflichtet:
1. die oberste Muttergesellschaft, wenn diese in Österreich ansässig ist, oder
2. eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit, die in die Verpflichtungen einer obersten Muttergesellschaft eingetreten ist.
Jede in Österreich ansässige Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 hat dem zuständigen Finanzamt spätestens bis zum letzten Tag des berichtspflichtigen Wirtschaftsjahres mitzuteilen, ob sie oberste Muttergesellschaft oder vertretende Muttergesellschaft ist. Eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe im Sinne des § 3 Abs. 1, die weder oberste Muttergesellschaft noch vertretende Muttergesellschaft oder eine aufgrund von § 5 Abs. 2 eingetretene Geschäftseinheit ist, hat dem zuständigen Finanzamt spätestens bis zum letzten Tag des Wirtschaftsjahres, für das berichtet werden soll, die Identität und die Ansässigkeit der berichtenden Geschäftseinheit mitzuteilen.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 5 Eintritt in die Pflicht zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts
(1) Eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit kann in die Verpflichtung der ausländischen obersten Muttergesellschaft eintreten, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
1. Die oberste Muttergesellschaft ist in ihrem Ansässigkeitsstaat nicht zur Vorlage eines länderbezogenen Berichts verpflichtet.
2. Es besteht mit dem Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts im Sinne des § 8 Abs. 1 keine qualifizierte Vereinbarung zum Austausch eines länderbezogenen Berichts.
3. Es liegt ein systemisches Versagen des Ansässigkeitsstaates der obersten Muttergesellschaft vor. Das ist der Fall, wenn mit diesem Staat oder Gebiet zwar eine qualifizierte Vereinbarung zum automatischen Austausch des länderbezogenen Berichts besteht, der automatische Informationsaustausch jedoch ausgesetzt wurde oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum versäumt wurde, die länderbezogenen Berichte automatisch zu übermitteln.
(2) Das zuständige Finanzamt hat eine in Österreich ansässige Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe mit Bescheid zum Eintritt in die Verpflichtungen einer ausländischen obersten Muttergesellschaft zu verpflichten, wenn eine der Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt ist. Ein solcher Bescheid hat nicht zu ergehen, wenn spätestens bis zum letzten Tag des Wirtschaftsjahres, für das berichtet werden soll, eine andere österreichische Geschäftseinheit als vertretende Muttergesellschaft eingetreten ist oder, wenn eine andere in Österreich ansässige Geschäftseinheit durch Bescheid in die Verpflichtung der obersten Muttergesellschaft eingetreten ist.
(3) Ein Bescheid nach Abs. 2 hat nicht zu ergehen, wenn eine nicht in Österreich ansässige Geschäftseinheit als vertretende Muttergesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat einen Bericht innerhalb der in § 8 Abs. 1 genannten Frist vorgelegt hat und – falls die vertretende Muttergesellschaft außerhalb der Europäischen Union ansässig ist – folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. der Ansässigkeitsstaat der vertretenden Muttergesellschaft verlangt die Vorlage eines länderbezogenen Berichts gemäß den in § 4 genannten Anforderungen,
2. der Ansässigkeitsstaat der vertretenden Muttergesellschaft verfügt im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts im Sinne des § 8 Abs. 1 über eine geltende qualifizierte Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden,
3. der Ansässigkeitsstaat der vertretenden Muttergesellschaft hat den Staat oder das Gebiet nicht über ein systemisches Versagen informiert,
4. dem Ansässigkeitsstaat der vertretenden Muttergesellschaft wurde von dieser spätestens am letzten Tag des Wirtschaftsjahres, für das berichtet werden soll, mitgeteilt, dass sie die vertretende Muttergesellschaft ist, und
5. das zuständige Finanzamt hat spätestens am letzten Tag des Wirtschaftsjahres, für das berichtet werden soll, eine Mitteilung über die Identität und Ansässigkeit der Geschäftseinheit, die in die Pflicht zur Übermittlung der länderbezogenen Berichte eintritt, erhalten.
(4) Eine Geschäftseinheit hat zur Erfüllung ihrer Berichtspflicht alle erforderlichen Informationen von der obersten Muttergesellschaft einzuholen. Stellt die oberste Muttergesellschaft die Informationen nicht bereit, hat die Geschäftseinheit dies ihrem zuständigen Finanzamt zu melden und einen länderbezogenen Bericht mit allen verfügbaren Informationen vorzulegen.
In Kraft seit 31.12.2016
§ 6 Master File
(1) Das Master File besteht aus einer Verrechnungspreisdokumentation mit umfassenden Informationen zur gesamten Unternehmensgruppe und deckt insbesondere folgende Teilbereiche ab:
– Organisationsaufbau der multinationalen Unternehmensgruppe,
– Beschreibung der Geschäftstätigkeit,
– Dokumentation der immateriellen Werte,
– Dokumentation der unternehmensgruppeninternen Finanztätigkeiten,
– Dokumentation der Finanzanlage- und Steuerpositionen.
(2) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt des Master File mit Verordnung näher festzulegen.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 7 Local File
(1) Das Local File umfasst spezielle Informationen zu Geschäftsvorfällen der jeweiligen Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe und deckt insbesondere folgende Teilbereiche ab (Informationen zu Finanztransaktionen der Geschäftseinheit sowie zur Vergleichbarkeitsanalyse):
– Beschreibung der inländischen Geschäftseinheit,
– Dokumentation der wesentlichen unternehmensgruppeninternen Geschäftsvorfälle,
– Finanzinformationen.
(2) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt des Local File mit Verordnung näher festzulegen.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 8 Übermittlung der Dokumentation
(1) Der länderbezogene Bericht ist spätestens zwölf Monate nach dem letzten Tag des betreffenden Wirtschaftsjahres an das zuständige Finanzamt der obersten Muttergesellschaft oder der eingetretenen Geschäftseinheit zu übermitteln. Die Übermittlung hat elektronisch im Wege von FinanzOnline zu erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren der elektronischen Übermittlung mit Verordnung festzulegen.
(2) Das Master- und das Local File sind ab dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zur Körperschaftsteuer bzw. der Steuererklärung bei Feststellung von Einkünften dem zuständigen Finanzamt auf dessen Ersuchen innerhalb von 30 Tagen zu übermitteln.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 9 Kontrolle der Einhaltung der Übermittlungspflichten
Die Kontrolle der Einhaltung des § 8 obliegt dem zuständigen Finanzamt. Hierbei sind die für die Erhebung der Abgaben geltenden Bestimmungen, wie insbesondere die Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, sinngemäß anzuwenden.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 10 Dokumentationssprache
(1) Die gesamte Dokumentation ist in einer im Abgabenverfahren zugelassenen Amtssprache oder in englischer Sprache zu führen.
(2) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, mit Verordnung das Führen von Teilen des länderbezogenen Berichts in englischer Sprache vorzusehen.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 11 Übermittlung länderbezogener Berichte an ausländische Behörden
(1) Die Übermittlung der länderbezogenen Berichte erfolgt grundsätzlich jährlich spätestens 15 Monate nach dem letzten Tag des betreffenden Wirtschaftsjahres durch den Bundesminister für Finanzen. Die erste Übermittlung der länderbezogenen Berichte erfolgt jedoch spätestens 18 Monate nach dem letzten Tag des Wirtschaftsjahres, das am oder nach dem 1. Jänner 2016 beginnt.
(2) Die Übermittlung im Sinne des Abs. 1 erfolgt an die Staaten oder Gebiete sämtlicher Geschäftseinheiten, die in den länderbezogenen Berichten aufscheinen.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 12 Weiterleitung ausländischer länderbezogener Berichte an die zuständigen Abgabenbehörden
Von ausländischen Behörden eingehende länderbezogene Berichte werden vom Bundesminister für Finanzen an die zuständigen Abgabenbehörden weiter geleitet.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 13 Verweise auf andere Bundesgesetze
Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 14 Vollziehung
Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen betraut.
In Kraft seit 02.08.2016
§ 15 Zeitlicher Anwendungsbereich
(1) Die zu erstellende Dokumentation bezieht sich auf Wirtschaftsjahre ab dem 1. Jänner 2016. Im Falle des Eintritts in die Pflicht zur Übermittlung des länderbezogenen Berichts im Sinne des § 5 Abs. 2 können sich die zu übermittelnden Informationen auf Wirtschaftsjahre ab dem 1. Jänner 2017 beziehen.
(2) § 2 Z 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2019 tritt mit 1. Juli 2020 in Kraft.
In Kraft seit 30.10.2019
§ 0
In Kraft seit 31.12.2016
§ 0
In Kraft seit 31.12.2016
§ 0
In Kraft seit 31.12.2016