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Cassis-de-Dijon-Entscheidung

Als Cassis-de-Dijon-Entscheidung wird das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78, Rewe-Zentral AG ./. Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, bezeichnet. Das daraus abgeleitete Cassis-de-Dijon-Prinzip besagt generell, dass alle Produkte, die in einem EU-Mitgliedstaat vorschriftsgemäß hergestellt wurden, in allen anderen Mitgliedstaaten verkauft werden dürfen. Gemäß dem Urteil darf ein Mitgliedstaat die Warenverkehrsfreiheit in der EU nur aus ganz bestimmten, im öffentlichen Interesse stehenden Gründen einschränken: Insbesondere zur steuerlichen Kontrolle, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, zum Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs und aus Gründen des Verbraucherschutzes.

Sachverhalt

Die Kölner Handelsgruppe Rewe-Zentral AG wollte aus Dijon (Frankreich) den so genannten Cassis nach Deutschland importieren. Diesen Johannisbeer-Likör wollte die Firma in ihren Lebensmittelmärkten verkaufen. Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein verbot der Rewe jedoch den Verkauf der Ware aus Frankreich, da der vermeintliche Likör mit seinem Alkoholgehalt von 15 bis 20 Vol.% nicht dem vom deutschen Branntweinmonopolgesetz geforderten Alkoholgehalt von 32 Vol.% für Liköre entsprach.

Rewe erhob daraufhin Klage gegen die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und machte unter anderem geltend, dass die deutsche Regelung als eine Maßnahme, die einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung in der Wirkung gleich stehe, mit der Warenverkehrsfreiheit aus Artikel 30 EWG-Vertrag (heutiger Art. 34 AEUV) unvereinbar sei. Das mit der Sache befasste Hessische Finanzgericht legte den Rechtsstreit daraufhin dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung

Der EuGH hat festgestellt, dass Hemmnisse für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, die sich aus Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung der betroffenen Produkte ergeben, grundsätzlich hingenommen werden müssen, sofern diese Regelungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden. Zwingende Erfordernisse in diesem Sinne hat der Gerichtshof dabei insbesondere in den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes gesehen.

Für die angegriffene Bestimmung des deutschen Branntweinmonopolgesetzes allerdings konnte der Gerichtshof solche zwingenden Erfordernisse nicht erkennen. Folgerichtig hat der Gerichtshof die deutsche Bestimmung für unvereinbar mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit gehalten.

Bedeutung

Die Entscheidung beruht auf Art. 34 AEUV [vormals Art. 28 EGV (vormals Art. 30 EWGV)] und hat für die Auslegung dieser Bestimmung Maßstäbe gesetzt. Art. 34 AEUV regelt die sogenannte Warenverkehrsfreiheit und lautet wie folgt:

Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.

In der ebenfalls grundlegenden Dassonville-Entscheidung hatte der Gerichtshof den Begriff „Maßnahmen gleicher Wirkung“ bereits überaus weit ausgelegt und darunter jede Handelsregelung eines Mitgliedstaates gefasst,

die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern (Quelle ist die Sogenannte Dassonville-Formel)

Die Cassis-de-Dijon-Entscheidung führt diese Rechtsprechung zunächst konsequent fort, indem sie erstmals auch eine Handelsregelung, die unterschiedslos für ausländische und inländische Produkte gilt, als Maßnahme gleicher Wirkung einstuft.

Gleichzeitig jedoch begrenzt die Entscheidung den Begriff der „Maßnahmen gleicher Wirkung“ – und nimmt insoweit die weit gehende Dassonville-Formel zurück – auf solche mitgliedstaatlichen Regelungen, die

nicht notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerecht zu werden

Neben der Dassonville-Entscheidung gehört das Cassis-de-Dijon-Urteil daher zu den grundlegenden, richtungsweisenden Entscheidungen des Gerichtshofs zur Auslegung der europäischen Warenverkehrsfreiheit. Grundsätzlich entspricht das Cassis-de-Dijon-Prinzip mit der implizierten gegenseitigen Anerkennung von im Ergebnis gleichwertigen, aber unterschiedlich ausgestalteten Regelungen einer Marktöffnung und liberalem Handeln.

Dem Cassis-de-Dijon-Urteil folgten noch weitere Urteile des EuGH gegen Verstöße im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr, so zum Beispiel das Bier-Urteil, welches es Deutschland verbietet, sich gegen den Import von Bieren aus der EG zu verschließen, die nicht dem deutschen Reinheitsgebot entsprechen.

Literatur

  • Kai Purnhagen: The Virtue of Cassis de Dijon 25 years later – It is not Dead, it Just Smells Funny, in: Varieties of European Economic Law and Regulation, hrsg. Kai Purnhagen, Peter Rott, New York, Heidelberg, Dordrecht u.a. (Springer), 2014, 315-342, ISBN 978-3-319-04902-1, vorläufige Version als Working Paper verfügbar:
  • Thomas Cottier, Rachel Liechti-Mc Kee (Hrsg.): Die Schweiz und Europa. Wirtschaftliche Integration und institutionelle Abstinenz. vdf Hochschulverlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-7281-3185-0 (S. 275f)

Siehe auch

  • Keck-Entscheidung

Weblinks

Quellen & Einzelnachweise

  1. SSRN: [1], 28. September 2014

http://de.wikipedia.org/wiki/Cassis-de-Dijon-Entscheidung 25.11.2014

Lizenzinformation zu diesem Artikel

Dieser Artikel basiert auf dem in den Quellen angeführten Wikipedia-Artikel, verfügbar unter der LizenzCC BY-SA 3.0“.

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