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Prager Fenstersturz

Als Prager Fenstersturz wird eine Form des politischen gewaltsamen politischen Widerstandes bezeichnet, bei dem Vertreter des Gegners aus dem Fenster geworfen werden. In Prag kam es insgesamt zu drei Fensterstürzen: 1419; 1618 und 1948.

Der bekannteste Fenstersturz dürfte der von 1618 sein, der als Auslöser des dreißigjährigen Kriegs gilt. Im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen über die Religionsfreiheit, warfen Vertreter der protestantischen Landstände die beiden Prager Statthalter des katholischen Königs von Böhmen uns späteren Kaisers, Ferdinand II von Steiermark, aus dem Fenster.

Erster Prager Fenstersturz

Der Erste Prager Fenstersturz steht am Anfang der Hussitenkriege. Am 30. Juli 1419 stürmten Hussiten, Anhänger des vier Jahre zuvor beim Konzil von Konstanz auf dem Scheiterhaufen als Ketzer hingerichteten Jan Hus, das Neustädter Rathaus am Karlsplatz in Prag, um dort gefangene Glaubensgenossen zu befreien. Dabei warfen sie zehn Personen aus dem Fenster: den Bürgermeister, zwei Ratsherren, den Stellvertreter des Richters, fünf Gemeindeältere und einen Knecht. Die Gestürzten wurden anschließend mit Hiebwaffen getötet, die die wartende Menge unter der Kleidung verborgen mitgebracht hatte. Ein weiterer Ratsherr starb in der Folterkammer. Der Volksaufstand war von radikalen Reformanhängern mit dem Prediger Johann von Seelau an der Spitze vorbereitet worden.

König Wenzel geriet über diese Aktion so in Wut und Angst, dass er einen Schlaganfall erlitt, an dessen Folgen er am 16. August 1419 starb. Vor dem Rathaus befindet sich ein 1960 von Jaroslava Lukešová geschaffenes Bronzedenkmal, das an Johann von Seelau erinnert.

Zweiter Prager Fenstersturz

Der zweite Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 ist die von Vertretern der protestantischen Stände begangene Gewalthandlung in der Form der Defenestration (lat. für Fenstersturz) an den königlichen Statthaltern Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg sowie dem Kanzleisekretär Philipp Fabricius. Er markiert den Beginn und den Auslöser des Dreißigjährigen Krieges und stellt einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte Europas dar.

Dieser Ausschnitt eines Flugblattes von 1618 zeigt keinen Misthaufen, sondern Steine. Die hier nicht abgebildete Legende zu dem Holzschnitt erklärt, dass dank Gottes die von den Statthaltern ausgehende Gefahr abgewendet worden sei, und sich später einer davon im Kloster verstecken wollte, das auf der rechten Bildhälfte zu sehen ist.
Fenster im Seitenflügel des Alten Königspalastes in Prag (die Defenestration erfolgte durch das zweite Fenster von oben, oberhalb des Bewuchses, seitlich rechts)

Der Fenstersturz wirkte als Fanal während des Böhmischen Ständeaufstandes. Die überwiegend protestantischen Stände warfen ihrem katholischen Landesherrn, Kaiser Matthias und dem 1617 zum Nachfolger gewählten böhmischen König Ferdinand von Steiermark (nach 1619 auch Kaiser) vor, die von Kaiser Rudolf II. im Majestätsbrief von 1609 zugestandene Religionsfreiheit der Protestanten zu verletzen. Ausgelöst wurde die Empörung durch den Abriss der evangelischen Kirche in Klostergrab und die Schließung der St.-Wenzels-Kirche in Braunau.

Nach Auflösung der Ständeversammlung zogen am 23. Mai 1618 knapp 200 Vertreter der protestantischen Stände unter der Führung von Heinrich Matthias von Thurn zur Prager Burg und warfen nach einem improvisierten Schauprozess die in der dortigen böhmischen Hofkanzlei anwesenden königlichen Statthalter Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg sowie den Kanzleisekretär Philipp Fabricius aus einem Fenster etwa 17 Meter tief in den Burggraben, wobei alle drei, einer von ihnen am Kopf verletzt, überlebten. Der zuerst hinausgestürzte Martinitz berichtet über den Sturz Slavatas:

Sie haben erst die Finger seiner Hand, mit der er sich festgehalten hat, bis aufs Blut zerschlagen und ihn durch das Fenster ohne Hut, im schwarzen samtenen Mantel hinab geworfen. Er ist auf die Erde gefallen, hat sich noch 8 Ellen tiefer als Martinitz in den Graben gewälzt und sich sehr mit dem Kopf in seinen schweren Mantel verwickelt.

Slavata berichtet Folgendes über seinen eigenen Sturz, wobei er von sich selbst in der dritten Person spricht:

Graf Slavata hat sich an dem steinernen Gesims des untersten Fensters angestoßen und ist auf der Erde mit dem Kopf noch auf einen Stein gefallen.

Der Fall Slavatas endete also unsanft, wenn auch durch ein Fenstersims etwas gebremst. Martinitz schreibt über den Fall des Sekretärs:

Haben letztlich noch den Herrn Magister Phillip Fabricius, röm. kais. Rat und Kgr. Böhmens Sekretarius […], in den Graben geworfen.

Der glimpfliche Ausgang des Gewaltakts wurde auf verschiedene Weise begründet. Die weitverbreitete Erklärung, die Defenestrierten seien auf einem Misthaufen gelandet, der sich unter dem Fenster angesammelt hatte, dürfte eine anekdotische Erfindung späterer Zeiten sein und wird in den Erinnerungen der Beteiligten beider Parteien nicht erwähnt. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sich im Burggraben der Prager Burg ausgerechnet unter den Fenstern der Ratskanzlei ein Misthaufen befunden hat. Bei der Misthaufen-Legende dürfte es sich um die protestantische Antwort darauf handeln, dass Katholiken die Rettung der Defenestrierten mit der Hilfe der Jungfrau Maria erklärten.

Ursachen des glimpflichen Ausgangs dürften die damalige Mode und das kühle Wetter gewesen sein. Alle Beteiligten trugen weite schwere Mäntel, die den Fall stark dämpften. Hinzu kommt, dass die Fenster, aus denen die drei geworfen wurden, sehr klein waren und sie somit nicht mit Schwung nach draußen befördert werden konnten. Außerdem haben sich alle drei gewehrt und Martinitz hielt sich noch am Sims fest, als er bereits draußen hing. Zudem ist die Wand unterhalb des Fensters nicht gerade, sondern nach außen angeschrägt, sodass die drei wohl eher hinunterrutschten als fielen.

Die böhmischen Ständevertreter waren verblüfft darüber, dass die drei den Sturz überstanden hatten, und schickten ihnen hastig einige Schüsse hinterher, die allesamt ihr Ziel verfehlten, da die Schützen durch das Gedränge an den Fenstern am sauberen Zielen gehindert wurden. Unterschlupf und Schutz fanden die Statthalter anschließend bei der katholischen Adeligen Polyxena von Lobkowicz.

Dieses Defenestrieren war eine härtere Version des Werfens eines Fehdehandschuhs, eine Kriegserklärung an den Kaiser. Der Fenstersturz markierte den Beginn des Aufstands der böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger und gilt als Auslöser des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648).

Dritter Prager Fenstersturz

Jan Masaryk war der Sohn Tomáš Garrigue Masaryks, des ersten Präsidenten der Tschechoslowakei. Von 1906 bis 1913 lebte er in den USA. Jan Masaryk war im Ersten Weltkrieg Frontoffizier der k.u.k. Armee und wurde noch im Oktober 1918 wegen besonderer Tapferkeit befördert. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war er Teilnehmer an den Treffen der informellen Stammtischgruppe Prager Intellektueller Pátečníci.

Ab 1919 im diplomatischen Dienst, war Masaryk unter anderem von 1925 bis 1938 tschechoslowakischer Botschafter in Großbritannien. Ab 1940 war er Außenminister der tschechoslowakischen Exilregierung und erwarb sich in dieser Zeit durch seine Rundfunkansprachen in der BBC große Popularität. Von September 1944 bis April 1945 war er außerdem Verteidigungsminister der Exilregierung.

Nach der Rückkehr 1945 behielt Masaryk das Amt des Außenministers auch in der ersten Regierung des kommunistischen Premiers Klement Gottwald.

Am 10. September 1947 versuchte das Olmützer Gebietssekretariat der KSČ, Masaryk zusammen mit den beiden ebenfalls nichtkommunistischen Ministern Petr Zenkl und Prokop Drtina durch ein Sprengstoffattentat zu ermorden. Initiator der aus Krčmaň in Parfümschachteln versandten Bomben war der KSČ-Abgeordnete Jura Sosnar-Honzák. Auftraggeber war wahrscheinlich der Olmützer KSČ-Gebietssekretär, Gottwalds Schwiegersohn Alexej Čepička.

Während des kommunistischen Umsturzes im Februar 1948 nahm Masaryk keine eindeutige Haltung ein. Wenig später wurde er, nur in seinen Pyjama gekleidet, im Hof des Palais Czernin, dem Sitz des Außenministeriums, unter dem Badezimmerfenster tot aufgefunden (sogenannter „Dritter Prager Fenstersturz“). Trotz mehrerer gerichtlicher Untersuchungen war lange nicht geklärt, ob er sich das Leben genommen hatte oder ermordet wurde.

Die Spekulationen über einen Mord durch die kommunistische Geheimpolizei führten im Jahr 1993 zur Wiederaufnahme der fallengelassenen Ermittlungen, die erst nach zehn Jahren abgeschlossen wurden. Im Jahr 2002 stellte eine Expertise aufgrund der Lage des Körpers und der vorhandenen Verletzungen fest, dass Masaryk gewaltsam aus dem Fenster gestoßen worden sein muss. Eine Agentin des sowjetischen Geheimdienstes habe dies damals auch schon in ihrer Aussage angedeutet; da diese Aussage jedoch später nicht mehr überprüft werden konnte, galten die Todesumstände weiterhin als ungeklärt. Auch die Prager Polizei erklärte im Jahre 2004, dass sie nicht mehr von Suizid ausgehe.

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